Bildungsexperten aus Emmendingen im Gespräch mit der Schulleitung der Alemannenschule Wutöschingen
Emmendingen/Wutöschingen. Kevin war Schulversager. Jeden Tag hatte er Bauchweh. Mathe? Ein Albtraum. In die Schule gehen? Horror! Die Lehrer hatten ihn aufgegeben. Dann kam er an die Alemannenschule in Wutöschingen – seitdem freut sich Kevin auf die Schule. Und selbst Mathe macht ihm jetzt Spaß.
Eine Geschichte, so ähnlich von einer Mutter erzählt – zugegeben. Doch typisch dafür, was an der Alemannenschule in Wutöschingen tagtäglich zu beobachten ist.
Wutöschingen ist ein kleiner Ort im Südschwarzwald mit etwa 7.000 Einwohnern. Ein Aluminiumwerk, Landwirtschaft, Verwaltungsgemeinschaft mit der Nachbargemeinde Eggingen. Nichts Besonderes. Doch die Alemannenschule ragt als Leuchtturm weit aus der Bildungslandschaft heraus. Stefan Ruppaner und sein Kollegium haben die Schule umgestaltet. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: mehrfach Deutscher Schulpreis, Europa-, Zukunfts-, Erasmus-, Referenz- und Botschafterschule. Ruppaner und Kollegium haben den pädagogischen Geist aus der Flasche geholt – und seither kommt die Bildungswelt nicht mehr aus dem Staunen. Mit Mut, Kreativität und Ausdauer wurde eine Bildungsstätte geschaffen, in der Lernen und Lehren Lehrkräften und Lernenden gleichermaßen Lust machen, und in der die Zukunft von Schule und Unterricht Gestalt angenommen hat.
Doch wie sieht der Schulalltag an der Alemannenschule aus? Das wollte eine Gruppe von Bildungsexperten aus Emmendingen, Freiburg und Stuttgart genauer wissen. Auf Einladung des Vereins für Innovative Schulentwicklung e.V. (VIS) und ihrem Vorsitzenden Hanspeter Hauke haben sie sich auf den Weg nach Wutöschingen gemacht. Mit vielen Impulsen im Gepäck kehrten die Besucher zurück, bereit, auch in ihrem Umfeld neue Wege zu gehen.
Die Bildungsexpertinnen und Experten erfuhren von Patricia Schmidt (stellvertretende Schulleiterin und ihrer Kollegin Isabell Budde aus erster Hand, warum die Kinder und Jugendlichen an der Alemannenschule gerne in die Schule gehen, ihre Ergebnisse bei Abitur und zentralen Abschlussprüfungen überdurchschnittlich gut sind und die Lehrkräfte nach der Schule entspannt nach Hause gehen, ohne noch Stunden mit Vorbereitung, Korrigieren etc. vor sich zu haben.
Lernen in offenen Räumen
Statt Klassenzimmern gibt es in Wutöschingen Lernlandschaften mit Flüsterzonen, Einzelarbeitsplätzen und offenen Kommunikationsbereichen. Jede Schülerin und jeder Schüler lernt im eigenen Tempo, unterstützt von Lernbegleiterinnen und Lernbegleitern. Klassische Noten wurden durch Kompetenzraster ersetzt, das iPad für alle gehört zur Grundausstattung.

Dass dieses Konzept funktioniert, liegt nicht nur an der Technik. Es liegt vor allem an der Haltung: Vertrauen in die Lernenden, klare Regeln und ein Team, das an einem Strang zieht. Bei den Lehrkräften wird das volle Stundendeputat in eine 35-Stunden Woche umgerechnet. In dieser Zeit stehen die Lehrpersonen als Lern-Coaches den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung. In dieser Zeit organisieren sie auch ihre Arbeit, korrigieren, bereiten vor, treffen sich für Absprachen mit Kollegen und helfen den Kindern und Jugendlichen erfolgreich zu lernen.
Mehr Mut, weniger Ausreden
Dass Veränderung möglich ist, zeigt die Alemannenschule eindrucksvoll. Doch der Transfer braucht mehr als Technik und offene Architektur, mehr als individuelle Arbeitsplätze und eine gute Ausstattung – er braucht Menschen, die bereit sind, Unterricht neu zu denken, Menschen, die bereit sind, ihre Haltungen zu hinterfragen und Menschen, die den Mut haben, loszulassen und Schülerinnen und Schülern zu vertrauen. In Wutöschingen gehen die Kinder und Jugendlichen bei klaren Regeln und individueller Unterstützung ihre eigenen Lern-Wege. Und sie melden sich, wenn sie Hilfe brauchen.
Klare Botschaft
Die Botschaft aus Wutöschingen ist klar: Schule kann anders sein – wenn man es will. Waren bei der VIS-Gruppe anfangs vielleicht noch Skepsis und Vorbehalte vorhanden, so lösten sich diese durch den offenen und überzeugenden Erfahrungs- und Meinungsaustausch mit der Schulleitung der Alemannenschule zunehmend auf. Am Ende zeigten sich die Bildungsexperten beeindruckt und zugleich motiviert, das Erlebte in ihre Arbeit zu integrieren und sich in ihrem Zuständigkeitsbereich auf den Weg zu einem innovativen Schulalltag zu machen.
